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Alkoholabhängigkeit und -missbrauch

Allgemeine Schätzungen auf der Grundlage des Sucht-Surveys (ESA 2019)[1] gehen von etwa 1,6 Millionen Personen mit einer nach DSM-IV[2] innerhalb der letzten 12 Monate ermittelten Alkoholabhängigkeit aus. Die Schätzung für DSM-IV-Missbrauchsdiagnosen ergibt etwa 2,7 Millionen Personen, so dass insgesamt bei etwa 4,3 Millionen Personen in Deutschland eine akute Alkoholabhängigkeit oder ein Alkoholmissbrauch vorliegt. Das sind rund 5 % der Bevölkerung. Der Suchtbericht der Bundesregierung 2018 belegt zwar einen Rückgang des Alkoholkonsums, 6,7 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland konsumieren Alkohol jedoch in gesundheitlich riskanter Form. Alkohol wird als weitaus überwiegendes Problem im Zusammenhang mit Abhängigkeiten neben Nikotin bewertet.

Eine remittierte Alkoholabhängigkeit liegt bei 3,2 Millionen Personen vor, ein remittierter Alkoholmissbrauch bei 8,0 Millionen. Damit haben insgesamt 4,8 Millionen im Verlaufe ihres Lebens eine Alkoholabhängigkeit erlebt; bei 10,7 Millionen wird ein Alkoholmissbrauch angenommen.

Aus den Jahresstatistiken des „Einrichtungsbezogenen Informationssystems“ (EBIS)[3] für die Jahre 1992 bis 2001 ergibt sich für 2001 ein Frauenanteil unter den Behandelten mit der Hauptdiagnose Alkoholabhängigkeit oder schädlicher Gebrauch von Alkohol von 20,9 %. Dieser Anteil variiert seit 1992 zwischen 22 und 23 % und ist auch heute noch in gleicher Weise gültig.

Schätzungen für Deutschland belaufen sich auf etwa 74.000 Todesfälle, die durch riskanten Alkoholkonsum oder durch den kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak verursacht werden, meldete die Aktionswoche Alkohol 2019.

Allein der dadurch verursachte volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich auf eine knapp zweistellige Milliarden-Euro-Summe.

Das Deutsche Ärzteblatt meldete im November 2016, dass nach einem Bericht des Statistischen Bundesamts Alkoholmissbrauch zahlreiche Erwachsene in die Kliniken gebracht habe. Die Auswertung der Krankenhausdiagnosestatistik für das Jahr 2015 zeigte: „Mit fast 327.000 Fällen lagen alkoholbedingte psychische Probleme und Verhaltensstörungen an zweiter Stelle der Häufigkeit aller Diagnosen von insgesamt 19,8 Millionen vollstationären Patienten. Dabei handelte es sich in knapp 114.000 Fällen um einen akuten Rausch, mehr als 137.000 Krankenhauspatienten wurden wegen eines Abhängigkeitssyndroms behandelt und bei knapp 64.000 Menschen diagnostizierten die Ärzte akute Entzugser­scheinungen.“

Der Versicherungsbote (15.07.2019) sieht nach Auswertung der Zahlen zum erstmaligen Zugang zur Erwerbsminderungsrente Alkohol als Männerleiden: „81.543 Männer erhielten in 2018 erstmals eine Rente wegen verminderter Erwerbstätigkeit. Dem steht die leicht höhere Zahl von 86.435 Frauen gegenüber. Gerade im Kontext solcher Zahlen fällt aber auf, dass es laut Statistik der DRV auch typische „Männerleiden“ gibt. Denn „psychische Verhaltensstörungen durch Alkohol“ zwangen 4.113 Männer zur Aufgabe, jedoch nur 1.275 Frauen.“

Nach einem im Mai 1996 vom Robert-Koch-Institut in Kooperation mit der Kanadischen Addiction Research Foundation durchgeführten Projekt[4] wurden die gesamtwirtschaftlichen Kosten alkoholassoziierter Krankheiten in Deutschland bereits damals auf knapp 40 Mrd. DM geschätzt. Dabei dürfte es sich tatsächlich um eine Unterschätzung gehandelt haben.

Im Jahr 2017 wurden insgesamt 46.697 Gewalttaten unter Alkoholeinfluss verübt. Das sind 26,8 Prozent aller Tatverdächtigen im Bereich der Gewaltkriminalität. Insbesondere bei schwerer und gefährlicher Körperverletzung prägt Alkoholeinfluss weiterhin die Tatbegehung in erheblichem Umfang. 40.565 (27,8%) solcher Taten wurden unter Alkoholeinfluss verübt. 30,5% (574) der Tatverdächtigen der Straftatengruppe Totschlag und Tötung auf Verlangen standen unter Alkoholeinfluss.

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass große Teile der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ein Alkoholproblem haben bzw. gehabt haben. Darunter befinden bzw. befanden sich naturgemäß auch viele Verkehrsteilnehmer, bei denen es sich dann um keine „trinkenden Fahrer“, sondern in Wahrheit um „fahrende Trinker“ handelt.

 

[1] Seitz, N.-N., Lochbühler, K., Atzendorf, J., Rauschert, C., Pfeiffer-Gerschel, T., Kraus, L. (2019). Trends des Substanzkonsums und substanzbezogener Störungen. Auswertung des Epidemiologischen Suchtsurveys von 1995 bis 2018. Deutsches Ärzteblatt International, 116 (35-36), 585-591.

[2] Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders - Fourth Edition

[3] www.ebis-ift.de

[4] Bergmann/Horch, Kosten alkoholassoziierter Krankheiten, Schriftenreihe des Robert Koch Instituts Berlin